Reunion – (un)liebsame Erinnerungen

Man hat nicht immer die freie Wahl, welche Assoziationen und Erinnerungen spontan auftauchen, wenn man an alte Zeiten denkt. Aber man hat sehr wohl die Wahl, wie lange man sich mit etwas beschäftigt oder auch die Art, wie man darüber spricht sorgfältig zu wählen.

Bewusst bleiben

Im Prinzip schreiben wir unsere Geschichte selbst und können durchaus entscheiden, welche Rolle wir darin einnehmen. Sind wir ausgelieferte Opfer und bemitleidenswerte Gestalten, oder Helden eines komplexen Schicksals mit vielen Pros und Kontras. Natürlich kann man auch einfach der staunende und nachdenkliche Beobachter bleiben, der man eigentlich zunächst immer ist. Vor der Bewertung und vor den Schlussfolgerungen jeder Situation, sind wir nämlich einfach nur und sehen mal zu was da passiert.

Bevor unser Verstand, die Ängste und Luftschlösser wieder einkicken und mit uns gerne in die Lüfte gehen.

Sag niemals NIE

Meine größte Herausforderung derzeit ist die Wiederbelebung der Kontakte aus meiner Schulzeit, die beinahe 30 Jahre lang brach lagen. Und für mich zurecht. Ich habe öfter daran gedacht, was wohl passieren würde wenn man mich zu einem Klassentreffen einladen würde und war fest entschlossen rigoros abzulehnen.

Schuld daran waren einige Mädchen, deren oberflächliches und in meinen Augen gehässiges Getratsche, das ich wirklich nicht mehr brauche. Doch es kam ganz anders, weil ausgerechnet die ganz netten und sympathischen Schulkollegen Kontakt aufnahmen. Und so überraschte ich mich selbst mit recht viel Enthusiasmus auch noch bei der Suche nach den restlichen Leuten mitzuhelfen.

Verändert oder nicht?

Doch schon bei den ersten Dialogen in der neuen Whatsapp Gruppe, kamen meine alten, negativen Erinnerungen wieder hoch. Ich rang mit mir ob ich mich verabschieden oder Tacheles reden sollte.

Träge und gleichzeitig neugierig, wie ich nun mal bin, wartete ich ab und las mit. Bis sich schließlich auch mein Empfinden den Menschen gegnüber änderte, weil ich sah wie ihr Verhalten es war, das ich nicht mochte und nicht ihr Denken oder ihre Persönlichkeit.

Zwischendurch regten sich noch einige Rachegelüste für die Gemeinheiten von damals, aber ich musste einsehen, dass auch ich sicher kein Engel war. Wahrscheinlich haben wir damals alle gleich viel einstecken müssen und jeder hatte so seine ganz persönlichen, schwierigen Herausforderungen.

Es war irgendwie komisch sich selbst wieder als Kind zu sehen, vermutlich ganz anders als heute und im Grunde genommen ganz gleich.

Ego, Ego an der Wand …

Als ich die alten Kinderfotos wieder ausgegraben hatte, machte ich es mir zu persönlichen Challenge nichts davon peinlich zu finden. Ich verglich mich einfach mit den anderen, die ich einfach nur herzig und süß fand und beschloss, dass ich es wohl ebenso war. Punkt.

Die nächste Challenge wartete gleich um die Ecke, denn die Fragen nach dem Lebensweg und der augenblicklichen Situation kamen unausweichlich. Und wie so oft gab es einige Leute die mit großem Erstaunen und Bewunderung auf meine Lebensgeschichte reagierten, auf meine Lebensorte und meine Erlebnisse in fernen Ländern.

Um ehrlich zu sein, bin ich noch immer hin und her gerissen, ob ich nun gute Geschichten erzählen soll oder einfach die Klappe halte. Denn ich erzähle sehr gerne interessante Geschichten und Abenteuer, viel lieber als Klatsch oder merkwürdige Erinnerungen an meine ungeliebte Schulzeit. Trotzdem wirken sie wie Angeberei oder Selbsterhöhung, aber diese Sichtweise mag wohl dem Zuhörer selbst überlassen bleiben zu wählen.

Rollercoaster

Spannend ist es trotzdem welche emotionale Berg-und Talfahrt diese alten Geschichten in mir ausgelöst haben. Das Spektrum an Emotionen war so breit wie der Himmel über dem Weinviertel.

Und gleichzeitig wollte ich viel lieber über meine Pläne sprechen, die vielen Vorhaben und Ziele, die ich gerade entdeckt habe und auf die ich mich so freue.

Und natürlich musste ich mich wieder mit dem Thema Bildung auseinander setzten, das ich Jahre lang nur aus der Ferne kritisiert hatte. Denn am liebsten hätte ich jeden Einzelnen meiner Ex-Schulkollegen in den Arm genommen und ihn gesagt, was für ein Genie er eigentlich ist. Ich würde jedem so gerne die Stärke wieder geben, die ihm dieses menschenunwürdige Machtsystem Schule damals genommen hat.

Allein all die Beleidigungen der Lehrer, die bei uns hängen geblieben sind, haben mehr als genug dazu beigetragen und klein und ungenügend zu fühlen, und erst recht die Noten. ( z.B. Nicht-Genügend!)

Fortschritt

Natürlich ist die Einmischung der Eltern in der Schule heute nur bedingt ein Fortschritt, denn sie können an den Bedingungen und Vorgaben der Lehrer nichts ändern, und die sind in Wirklichkeit das Problem.

Aber ich bin dankbar dafür, dass wir auch in den Schulen eine Sensibilität kultiviert haben, sodass Lehrer Schüler nicht mehr beleidigen dürfen. Meine Geschichtslehrerin meinte zu meiner Dauerwelle ( 80er Jahre) ich sähe aus wie ein Karakulschaf, der Zeichenlehrer machte sich über den Namen einer Mitschülerin ständig lustig und unser Klassenvorstand glänzte mit Sarkasmus in Religion und Ethik, was zu viel Verwirrung führte.

Wir waren uns einig, dass so etwas heute nicht mehr möglich wäre und ich war ehrlich gesagt froh darüber, dass wir uns doch tatsächlich weiter entwickelt haben.

time for change

Ja, ich habe als Kind unter diesen Gemeinheiten gelitten, aber genauso weh taten mir die Unwahrheiten über das Leben, wie sie Lehrer damals verbreitet hatten. Aber wie sollte auch jemand, der an der Fachhochschule Pädagogik gelernt hat, tatsächlich etwas über die Welt da draußen wissen? Dieses Problem gilt es nach wie vor zu lösen und ich werde mich dafür einsetzten, gute Lösungen zu finden.


lets create some change, Susanna

Post Author: Susanna

1 thought on “Reunion – (un)liebsame Erinnerungen

    Claudia

    (4. August 2019 - 15:34)

    Hallo Susanna
    Gute Gedanken, spannend.
    Macht Lust, mit zu überlegen, mit wem aus meiner Jugendzeit ich den Kontakt wünschen könnte..,
    Da sind sicher noch einige ‚Edelsteine‘ wieder zu entdecken! Danke für den Imput und lass es dir gut gehen
    Claudia

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