Krafttier Krokodil

Ich muss zugeben, dass ich anfänglich eher negativ überrascht war, als ich bei einer Meditation dieses Krokodil in mir entdeckte. Denn meine erster Verdacht war, dass es meine Magenschmerzen verursachen würde.

Gerade als ich im Wachzustand darüber nachdachte, war mein Kopf voll mit Erinnerungen an eine Technik von Anuk Claes. Sie ließ ihre Klienten die Angst im Bauch gerne als Bild darstellen und die meisten beschrieben es als Krokodil. Doch das Vieh in mir wollte so gar nicht in dieses Muster passen.

Umgekehrt

Nachdem ich mir dieses innere Tier bei einer neuerlichen Introspektion genauer besah, war es eigentlich recht friedlich und sogar freundlich. Das Krokodil zeigte mir wie es gemütlich und entspannt den Fluss hinab glitt, auf der Suche nach passender Beute.

Trotzdem fand ich natürlich das Gebiss und die archaische Kraft des Reptils eher unheimlich, also recherchierte ich im Internet. Tatsächlich galt das Krokodil im alten Ägypten als heilig und sogar als Heiler. Die Herausforderung lag also für mich darin, dem Krokodil als Krafttier eine Chance zu geben und es neu zu betrachten.

Neue Perspektive

Es dauerte eine ganze Weil bis ich mit mich mit diesem neuen Krafttier richtig anfreunden konnte, zu groß war die mentale Ablehnung. Man erinnere sich nur an das Kaspertheater der Kindheit, wo der Kasperl mit dem Krokodil kämpfen muss. Dann fiel mir allerdings ein, dass bei der Wiener Puppenbühne Urania das Krokodil namens Dagobert zu einem witzigen, wenn auch ungestümen Freund der Kinder gemacht wurde.

Natürlich um die Kinder nicht zu erschrecken, aber Dagobert und seine Tochter Lolobe wurden mit ihrer gutmütigen und witzigen Art zu absoluten Publikumslieblingen. Sie forderten immer wieder auf lustige Art Bussi von allen und wollten meist gestreichelt werden. Hilfreich waren sie für den Kasperl auch, denn die Bösewichte hatten meist Angst vor Kasperls kräftigen Haustieren.

Lauf der Dinge

Mein neuer innerer Begleiter war allerdings ganz anderer Natur: ruhig, entspannt und selbstbewusst. Denn das Krokodil hat nicht viele Feinde in der Natur und sein Hauptanliegen ist ganz gezielt und umsichtig etwas Essbares zu finden. Tagelang kann es auf der Suche einfach nur dahin gleiten und Ausschau halten ohne wirklich anzugreifen. Es wartet viel mehr auf eine gute Gelegenheit, auf den richtigen Augenblick und schlägt dann mit voller Kraft zu.

Nun ganz sympathisch war mir das zunächst immer noch nicht, doch mit der Zeit wurde mir klar, dass es bei den Beutetieren auch eine Auslese geben musste. Gerade die schwächsten und kranke Tiere wurden nur von Krokodilen erbeutet, was wiederum die Herden von Gnus und Antilopen indirekt stärkte. Der Kreislauf der Natur eben.

Zweite Chance

Allmählich gelang es mir meine Ablehnung gegen das Krokodil als neuen Freund und Helfer abzulegen und mich völlig offen mit ihm zu beschäftigen. Zuerst sah ich ihm aus einiger Entfernung zu und bewunderte seine ruhige Geduld und Gelassenheit, obwohl mich sein riesiges Maul noch immer irritierte.

Das Krokodil strotzt nur so vor Kraft und Aggressivität, und gleichzeitig beißt es nicht einfach wild herum oder lässt sich leicht provozieren. Das gefiel mir dann doch. Und schließlich gelang es mir im Traum eine persönliche Beziehung zu diesem Ungetüm aufzubauen, denn mir gegenüber erschien es freundlich und hilfsbereit.

Gemach, gemach

Auf meiner ersten Reise mit dem Kroko war ich eingeladen auf seinem Rücken Platz zu nehmen und einfach nur in den Tag hinein zu gleiten. Natürlich aufmerksam und präsent, ob sich nicht zufällig irgendwo eine Gelegenheit ergab, eine Beute zu reißen. Also ganz entspann lag ich auf dem Tier, zuerst noch mit den Füssen nach vorne, dann Kopf an Kopf.

Es schien mir sogar als ob sich zwischen seinen Glupschaugen eine Art Zielvorrichtung mit Fadenkreuz befand, die es mir ermöglichte besser zu fokussieren. Das fühlte sich unheimlich entspannend an, weil meine Aufmerksamkeit nicht mehr auf tausend Sachen gerichtet war, sondern ganz simpel und einfach nur Gelegenheiten suchte.

Und auch der relative starre Körper unter mir fühlte sich beinahe wie ein Kanu oder einfaches Boot an, das mich völlig sicher fühlen ließ.

Schnipp Schnapp

Unsere Umgebung war zunächst noch ruhig und überschaubar gewesen, doch plötzlich kamen uns große Brocken entgegen. Teilweise gelang es uns auszuweichen und wenn nicht, dann sperrte das Krokodil einfach sein riesiges Maul auf und verschlang das Unerwünschte.

Ich kam mir beinahe vor wie in einem dieser Computerspiele. Und schließlich fragte ich das Krokodil, was wir den tun würden, wenn einer dieser Brocken eine Beute für mich wäre, also etwas Gutes. Kurzer Hand packte das Krokodil so einen Brocken an einem Ende und warf es kopfüber zu mir und ich fing es auf. Unglaublich.

Mit dem Kroko kann ich einfach alles haben, was ich will und bin dabei völlig sicher. Nur auf die Zielvorrichtung muss ich mich konzentrieren und genau sagen, ob mir etwas genehm ist oder nicht.

Lektion

Im Prinzip sagte mir dieses Krafttier ganz deutlich, dass es lediglich darauf ankommt sich bewusst zu entscheiden. Also will ich etwas erleben oder haben, oder lasse ich es lieber für den Augenblick. So einfach.

Und vielleicht sind genau diese Geradlinigkeit und Einfachheit die beiden Qualitäten, die ich jetzt gerade dringend in meinem Leben brauche. Der menschliche Verstand macht vieles so kompliziert oder verzettelt sich in Details, während das Krokodil es ganz simpel macht:

„Haben oder nicht-haben wollen?“


ALOHA Susanna

Post Author: Susanna

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert