Das Wort Verantwortung war ein leerer Begriff als wir in in Schulzeiten lernten. Es gab keine Referenz, kein Gefühl oder gar Greifbarkeit dafür. Man sollte oder musste einfach welche tragen. Oder sollte froh sein, dass man noch keine trug – der Segen der Kindheit quasi.
Überstrapazierte Worthülse
Dann wuchs man schön langsam in Arbeits- oder Familienbeziehungen hinein und wurde mit möglichen Forderungen anderer konfrontiert, die wahrscheinlich für Verantwortung standen – Verbindlichkeiten oder Versprechungen eben. Trotzdem war der Inhalt der Wortes „Verantwortung“ noch immer schwer zu fassen oder gar zu definieren.
Und doch – irgendwie hatten wir das Gefühl für andere oder zumindest deren Zufriedenheit möglicherweise verantwortlich zu sein. Sei es für Eltern, die wollten, dass wir erfolgreich sind oder für den Partner, der unversehens von uns abhängiger wurde oder gar für die Schutzbefohlenen, die ohne uns scheinbar gar nicht richtig glücklich sein konnten.
Alles Quatsch
Ich habe mich viele Jahre lang mit diesem und anderen belastenden und ungeklärten Worten beschäftigt, natürlich in Therapie Sitzungen und Coachings. Meist kam ich mit meine Klienten an einen Punkt, an dem sie selbst eingestehen mussten, dass diese vermeintliche Verantwortung eher einem Versprechen oder einer Vorstellung wie man zu sein hat gleich kam.
Schliesslich gelangte ich mit ihnen an einem Punkt, an dem sie zumindest für das eigene Verhalten Verantwortung übernehmen wollten. Denn das war doch tatsächlich das einzige, das sie wirklich selbst unter Kontrolle gehabt hatten, auch wenn diese Einsicht meist sehr lange brauchte.
Blick in die Vergangenheit
Ganz eindeutig drehte es sich bei dieser Erkenntnis um eine Rückschau, also eine Konklusion aus eigenem Erleben. Denn bei genauerer Untersuchung aller Erfahrungen erkennt man ganz klar, dass jeder im Prinzip immer Entscheidungsmöglichkeiten hat – wir haben immer eine Wahl.
Und sobald man nicht mehr andere für die eigenen Taten die Schuld gibt, übernimmt man selbst die Verantwortung für sich.
„Es gibt immer eine gute und eine schlechte Nachricht“
Für viele ist dieses Eingeständnis, dass nicht andere der Grund für ihr Verhalten sein sollten eine bittere Pille zu schlucken. Gerade wenn man aggressiv, beleidigend oder gar unfair war, dann tut es gut, anderen die Schuld dafür zu geben. Trotzdem wird es nicht wahrer …
Die Rückkehr zur eigenen Verantwortung für das eigene Tun hat aber noch eine viel grossartigere Kehrseite: sie gibt uns Macht. Denn plötzlich sind wir nicht mehr der Spielball anderer, nicht mehr das Opfer und schon gar nicht hilflos. Nein, wir haben die Wahl wie wir agieren, anstatt einfach automatisch zu reagieren.
Zugegeben
Natürlich ist das nicht ganz einfach so achtsam und bewusst zu leben, dass wir unsere automatischen Reaktionen umlernen, aber es ist möglich. Und mit Anstrengung und Konsequenz auch machbar.
Und selbstverständlich ist keiner von uns so ein Heiliger, dass er – wie Jesus – die andere Wange hin hält, wenn er von jemandem geschlagen wurde. Das verlangt ja auch keiner.
Es genügt ja schon vollkommen, wenn wir uns nicht mehr so leicht provozieren oder irritieren lassen. Ein grosser Triumph ist auch, wenn wir gelassen und bedacht in schwierigen Situationen bleiben oder vielleicht sogar höflich und freundlich. Ein schönes Ziel, dass sich wohl jeder stecken möchte.
Nächster Schritt
Und es geht noch weiter mit den Anstrengungen: dann abgesehen von unseren Taten sind wir auch selbst dafür zuständig, was wir über andere und über uns selbst denken. Wer damit jetzt nicht ganz einverstanden ist, der möge sich doch daran erinnern, dass wir selbst ein Bild über andere in unserem Geiste erschaffen. Es liegt an uns was wir glauben wollen und was wir für wahr halten.
Ergo sind wir im Grunde genommen selbst für unser schlechtes Bild anderer Menschen verantwortlich. Besonders wichtig, wenn es sich bei diesen Leuten um die eigene Familie oder Freunde handelt. Allerdings auch erleichternd. Denn das bedeutet, dass wir diese Bilder selbst erschaffen haben ( oft in Zusammenarbeit mit anderen) und auch selbst wieder ändern können. Mehr dazu im Artikel „morphen“
am wichtigsten aber: die Egotherapie
Ich halte es für wesentlich effizienter das eigene Selbstbild positiv zu verändern, anstatt es völlig abzuschaffen, wie manche Mönche es fordern. So rein gar nichts über sich zu denken ist schwer in unserer Gesellschaft.
Daher plädiere ich dafür, sich selbst mittelmässige Noten zu geben oder gar nicht zu bewerten, sondern ein „keine Ahnung“ für sich gelten zu lassen. In jedem Fall sollten wir aufhören uns selbst zu kritisieren oder tiefzustapeln, damit machen wir uns auf die Dauer die Lebensfreude kaputt.
„Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser lebt es sich ohne ihr“
Anstatt uns ständig zu bewerten und Vergangenes zu hinterfragen, schlage ich vor nach vorne zu sehen und viel mehr darüber nach zu denken, wie wir gerne sein möchten.
Denn sich etwas vorzunehmen, ist einfacher als die Vergangenheit zu rechtfertigen. Dabei bin ich gerne grosszügig mit meinen Wünschen an mich selbst und an mein Leben, denn nur wer sich viel Grossartiges wünscht, bekommt dann auch viel … oder zumindest mehr