Ich hab mich zufällig wiedermal zum Thema Narzissmus in den Medien umgehört, und war entsetzt, was für ein Wirrwarr auftauchte.
Es werden Motive und Verhaltensweisen relativ bruchstückhaft erklärt, was ja in den TV Medien heutzutage öfter vorkommt. Aber ausgehend von einer Beschreibung narzisstischer Verhaltensweisen, haben sogenannte Fachleute da Fragen zur Selbsteinschätzung in Verwendung, die bei Narzissten bekanntlich sehr verschoben ist.
Ich möchte an drei Beispielen erklären, was ich an diesen ( schein bar weit verbreiteten) Fragen an die Patienten zu bemängeln habe:
„Fühlen sie sich öfters von anderen Leuten unterschätzt?“
Solche allgemeinen Fragen sind leider sehr Stimmungs- und Situations-abhängig. Je nachdem was man gerade erlebt hat, oder worüber man sich gerade ärgert, beantwortet man die Frage unterschiedlich.
Selbstverständlich kennen mich nicht alle Menschen so genau, dass sie wissen, was ich kann und was ich weiß. Wie sollten sie denn auch?
Da gibt es Gruppen oder auch Nachbarn, die keine Ahnung haben, auf welchen Fachgebieten ich mich auskenne und durchaus auch Neider, die mir gar nichts zugestehen wollen. Wenn ich also an diese Leute denke, oder gerade mit ihnen zu tun hatte, dann werde ich diese Frage mit einem „Ja“ beantworten.
Hatte ich aber gerade eine gute Zeit mit Freunden und Familie, die mich schätzen, dann tendiere ich vielleicht zu einem „Nein“.
Also eine völlig nutzlose Frage, die zu keine konkreten Einschätzung führen kann.
“Stellen sie ihre Bedürfnisse über die der anderen?“
Mit dieser Frage habe ich besonders Mühe, weil gerade das Erkennen der wahren, eigenen Bedürfnisse und deren Artikulation beim Narzissten fast nicht gegeben ist. Ganz im Gegenteil ist die „Gewaltfreie Kommunikation“ von Marshall M. Rosenberg als Weg aus der narzisstischen Verhaltensweise sehr zu empfehlen und sie beruht gerade auf Innenschau und dem bewussten Wahrnehmen von psychischen Bedürfnissen.
Vielmehr macht die narzisstische Persönlichkeit ständig andere Leute oder Situationen für die eigene Misere verantwortlich und gibt ihnen Schuld. Er ist also nicht Lösungsorientiert, sondern chronisch anklagend und destruktiv kritisch.
Praktisches Beispiel: Ich habe Hunger und sitze in einem Lokal. Normal ist, das einfach fest zu stellen und etwas zu essen zu bestellen. Der Narzisst aber jammert und klagt darüber, als ob es keine Lösung gäbe und alle anderen gemein sind, bis sich irgendjemand erbarmt und ihm beim Bestellen hilft.
Der Vergleich mit der Wichtigkeit der Bedürfnisse anderer Leute ist ja auch gar nicht wirklich möglich. Und ein ganz wichtiges Grundprinzip einer gesunden Persönlichkeit ist es auch sich ordentlich um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern, denn die kennt man besser. Die Bedürfnisse anderer kann man nur erraten oder annehmen.
„Fühlen sie mit anderen mit, wenn es ihnen schlecht geht?“
Ja, ich weiß, damit will man heraus finden, ob jemand zur Empathie fähig ist. Aber ganz ehrlich, macht es keinen Sinn mit anderen mit-zu-leiden, ganz im Gegenteil, da ist Verständnis gefragt. Denn es macht durchaus Sinn, sich nicht durch jedes Unglück, das anderen widerfährt runter ziehen zu lassen. Was NICHT heißt, dass man sich über das Missgeschick anderer freuen sollte, Nein. Aber man kann es sachlich und neutral wie ein Beobachter wahrnehmen, um das Unglück nicht noch zu vergrößern.
Auch die Antwort auf die Frage: „Können sie sich mit anderen mit-freuen?“ ist genauso wenig aussagekräftig, denn manchmal kann man und manchmal nicht, je nach Laune oder Tagesverfassung.
Was aber durchaus beobachtbar ist an narzisstischen Persönlichkeiten, ist der Umstand, dass ihr Stimmungsniveau meist sehr tief ist und sie dadurch sehr häufig zu Neid, Missgunst und Beschwerden neigen. Auch die Einschätzung, dass sie selbst Opfer oder Betrogene des Schicksals zu sein scheinen, ist typisch. Das Leben ist für sie unfair und sie haben es besonders hart, weil sie angeblich zu den „guten Menschen gehören, die eben immer drauf zahlen“.
Narzisstische Gruppen
Und es gibt dann auch durchaus Situationen, wo sich gerade zwei oder mehrere Narzissten in ihrer Opferrolle zusammen finden und gemeinsam klagen. Daraus können regelrechte Freundschaften entstehen, die ein gemeinsamer Feind eint.
Regelrechte narzisstische Gruppierungen findet man in radikalen Milieus recht häufig, die sich allein durch den Protest gegen etwas oder jemanden gebildet haben.
Meist treten sie als Mob auf und versuchen einer bestimmten Person oder Personengruppe zu schaden oder sie gar auszugrenzen. Besonders wenn es sich um konfessionelle oder politische Konfliktpunkte handelt, werden diese Mobs gesellschaftlich störend und auffällig, weil sie versuchen immer mehr Leute zu verhetzen.
Diese Dynamik wird allerdings nicht psychologisch in den Medien behandelt, sonder nur als soziologisches Phänomen. Ist aber genauso Ausdruck einer narzisstischen Störung einer Gesellschaft.
Lösung à la Belloni
Stimmung heben, Emotionen in den Griff bekommen!
Mit ein wenig Arbeit an sich selbst, guter Unterstützung und Ruhe, erkennt man nämlich irgendwann, dass man selbst seine Stimmung macht. Nämlich abhängig vom eigenen Kopfkino, das nur ein wenig Mentraltrainig braucht, um wieder schöne Filme zu spielen oder auch mal ganz abzuschalten.
Man wird dann auch Leute mit schlechter Stimmung meiden, weil diese nämlich auch ansteckend sein kann, genauso wie eine Erkältung. Sie geht also auch wieder vorbei …
P.S.: Hier geht es zu meinem Test zur Selbsteinschätzung, der imho wesentlich besser funktioniert: Bin ich ein Narzisst? https://susannabelloni.ch/2018/02/28/bin-ich-ein-narzisst/