Vom Ego ins Selbst-Bewusstsein

Das Wort Ego wird häufig verwendet. Meist in einem negativem Kontext oder durch die Blume, wenn man von Egoismus spricht. Doch wie sollte dieses Ego wirklich sein und vor allem: was ist es eigentlich?

Was vielen Spirituellen zumindest klar ist, ist dass das Ego oft das Gegenteil von der Herzensstimme sagt. Es also häufig mit Neid, Unsicherheit oder Minderwertigkeitsgefühlen zu tun hat. Trotzdem ist es schwierig dieses problematische Ego zu lokalisieren oder es immer sofort zu erkennen.

Deshalb widme ich mich hier zuerst einmal den verschiedenen Definitionen des Egos, damit klarer wird, wovon wir da eigentlich sprechen.

Was sagen spirituelle Lehrer dazu?

Eckhart Tolle spricht von einem Glaubenssystem im Verstand, das uns eine Identität vorgaukelt, die uns von anderen Menschen abhebt. Das kann durchaus auch die Zugehörigkeit zu Gruppen oder Menschentypen sein, in jedem Fall führt es meist dazu, dass wir uns getrennt fühlen von anderen, die nicht so viel mit uns gemein haben. Ausserdem lechzt das Ego ständig nach Anerkennung oder Bestätigung von Aussen, die es verstärken sollen.

Zusätzlich zu dieser rein geistigen Komponente, beschreibt er den emotionalen Schmerzkörper, der aus dem Glaubensmuster der Identifikation entsteht. Den Geschichten über sich selbst, hängt also bereits eine beinahe verselbstständigte Reaktivität an, die sich oft durch Negative Gefühle verstärkt.

Mooji und andere indische Lehrer beschreiben das Ego als grosse Illusion, die entsteht, wenn man sich mit dem Körper oder mentalen Konditionierungen identifiziert. Das Erwachen in das transzendentale Selbst ist daher nötig, um diesen Gedankenschwindel zu entlarven und den Verstand wieder seinen untergeordneten Platz zuzuordnen.

Osho weist auch noch darauf hin, dass es nicht möglich ist dieses Ego zu fassen zu bekommen und es quasi zu eliminieren, weil es keine Einheit ist, keine Ebene oder Wesenheit, sondern meist ein Gewirr von Gedanken und Emotionen.

Im Huna, der schamanischen Philosophie Polynesiens, wird das Ego als Lügenkonstrukt gesehen, das uns davon abhält die Wirklichkeit und Wahrheit zu sehen. Viel von der Heilarbeit Ho`oponopono zielt darauf ab, die Aufmerksamkeit in die spürbare Realität zu bringen und zu erkennen, was wirklich ist und was nicht. Einige der Grundprinzipien der Philosophie stellen von vornherein klar, wie jeder sich selbst die Welt erschafft, in der er zu leben meint. Deshalb ist die Beschäftigung mit der Natur und den Elementen zentral, weil sie Erdung gibt und eine Verbindung mit der unsichtbaren, wirklichen Welt erlebbar machen.

Die Gemeinsamkeiten: Ego ist nicht wahr, existiert nur im Verstand, will eine Identifikation, ist keine abgeschlossene Einheit, ist nur schwer zu fassen und verursacht die unangenehmen Emotionen.

Logischerweise hat die Beschäftigung mit dem Ego wenig Chancen auf Erfolg, weil es viel zu wenig greifbar ist und auch unüberschaubar. Ein Kampf gegen Windmühlen also.

Egofallen

Selbst sogenannte positive Identifikationen oder Labels können eine Falle sein und unbewusst, indirekt Trennung oder negative Emotionen erzeugen. ( siehe auch die Artikel „Ego-Fallen von spirituellen Lehren“ und „Labels – Fluch oder Segen“ zu diesen Themen).

Ich hatte mir vor vielen Jahren einmal vorgenommen die beste Heilerin zu werden. Sofort kamen mir Fragen in den Sinn, die mich stressten. Nämlich: mit wem vergleiche ich mich? Oder auf welchem geografischen Gebiet? Selbst als ich mein Vorhaben umformulierte in „die beste Heilerin, die ich nur sein kann“, merkte ich laufend Gedanken, die mich und meine Taten hinterfragten. ( „Hast du das wirklich so gut wie möglich gemacht?“)

Bislang kam mir noch kein Wort für mich in den Sinn, weder Substantiv noch Eigenschaftswort, das nicht irgendwie auch Zweifel oder Rechtfertigungen auslösten. Also ganz weg damit, war mein Entschluss.

Denn das ist ja auch die eigentliche Krux mit der Zukunftsplanung: wir sind so auf diese Ettikettierungen und Schubladen eingeschworen, dass sie uns ständig in den Sinn kommen. Dabei wäre die Lösung relativ einfach, nämlich wenn wir unser Selbstbild völlig aussparen und uns darauf fokussieren, was wir erleben wollen oder wie wir uns fühlen wollen.

Wie Reisende auf einer Abenteuerfahrt, die möglichst viel erleben und lernen möchten, aber mit der Gelassenheit eines unbeteiligten Beobachters, der sich erst langsam oder im Nachhinein einen Reim auf alles Erlebte machen kann.

Wie gelingt also der Ausstieg aus dem Ego?

Zum einen empfehlen uns viele spirituellen Traditionen die Beschäftigung mit dem spürbaren Selbst in uns. Durch Naturerlebnisse, Herzensbildung und Meditation, um die groben Richtungen zu nennen.

Zum anderen braucht dieser Verstand auch eine Verwandlung, in der all diese Gedanken rund um die eigene Person mit anderen Bildern oder Informationen ersetzt werden. Das kann einerseits durch intensive Aha-Momente geschehen, andererseits auch durch Affirmationen gefördert werden. In jedem Fall kann man ganz bewusst auch den Verstand umtrainieren oder umprogrammieren, auch wenn das häufig eine grosse Anstrengung bedeutet.

Ich halte beide Komponenten für notwendig, oder zumindest sinnvoll, weil wir ja unseren Verstand weiterhin konstruktiv nutzen wollen und ihn nicht einfach abstellen sollten.

Alternativen

Wesentlich um sich von Egogedanken zu befreien, ist auf jeden Fall das Ego nicht bekämpfen zu wollen, sondern Alternativen zu suchen. Das heisst Offenheit und Neugier sind gefragt, um mehr über das Leben und vielleicht auch über sich selbst herauszufinden. Auch Langsamkeit und Gelassenheit sind sehr hilfreich, auch wenn sie häufig den Mut erfordern, den Gedankenstress zu überwinden.

Und dann gibt es ja da auch noch den magischen Satz, der sehr oft nützlich ist, wenn wir wieder in Versuchung geraten: „Ich weiss es nicht“.

Klärung

Der Satz des Aufklärers René Descartes  „cogito ergo sum“ ( ich denke, also bin ich) sollte in diesem Zusammenhang auch noch aufgeklärt werden. Das „Denken“ des Philosophen war nicht auf die eigenen Schlussfolgerungen beschränkt gewesen, sondern auch das bewusste Beobachten von Eindrücken, sowie das Verstehen fremder Gedanken uvm..

Ich kann also auch laut Descartes durchaus existieren und sehr gut einfach nur sein, wenn ich nur mal beobachte oder sogar wenn ich gerade nichts anderes wahrnehme, als einen undefinierbaren, unendlichen Raum – das „nothing“, wie Mooji es so schön nennt.


 

Post Author: Susanna

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