Ist dir schon einmal aufgefallen wie viele widersprüchliche Bilder über die Liebe in unseren Köpfen herum schwirren?
Vor allem in Liedertexten, Liebesfilmen oder auch in der Umgangssprache hat sich eine komische Vorstellung von Liebe entwickelt, die gar nicht mit meiner eigenen Erfahrung richtig zusammen passt. Mein Herz kann nämlich gar nicht brechen, ich kann es nicht verschenken und keiner kann es mir stehlen.
Ausserdem gibt es da noch die Liebe zu Kindern, Familie, Tiere und manchmal sogar Hobbys. Warum ist die so anders, als die romantische Liebe?
Ich halte es für nötig sich mit den grundlegenden Eigenschaften der Liebe auseinander zu setzten und sich die Frage zu stellen:
Liebe – was war das nochmal genau?
Komischerweise gibt es dazu nur sehr nichtssagende und schwammige Definitionen. Es ist als ob der Begriff so gar nicht wirklich greifbar wäre. Viel einfacher ist es da mit dem Verb „lieben“. Denn da kann jeder auf seine eigenen Erfahrungen zurück greifen, sein eigenes Erleben. Man kann es spüren und wahrnehmen. Vielleicht hat der eine oder andere schon einmal eine eindrückliche Erfahrung damit gemacht wie sich dieses Gefühl sogar auf unsere körperliche Gesundheit auswirkt und ist überzeugt davon, dass „Liebe heilt“.
Für mich ist Liebe die Abwesenheit von Ablehnung. Das ist die Umschreibung, die meinem persönlichen Erleben am ehesten entspricht. Im Hawaiianischen verwendet man das Wort ALOHA für Liebe. Das Prinzip von ALOHA, wird so beschrieben: Lieben heisst glücklich sein mit ….
In unserer Kultur hingegen, kursieren allerhand komische Ideen über Liebe, die sich allerdings bei genauerem Hinsehen als völlig unlogisch erweisen.
Unsinn Nr. 1: Die grosse Liebe ist ein Partner.
Das Schlagwort „die erste grosse Liebe“ wird meist in Zusammenhang mit dem ersten Partner benutzt. Dabei dreht es sich immer um eine intensive Faszination verbunden mit einem tiefen Glücksgefühl. Manche gestehen sogar erst nach der Geburt des ersten Kindes erst wirklich bedingungslose Liebe kennen gelernt zu haben. Fest steht, dass das Gefühl zu einem anderen Lebewesen, zu einer Tätigkeit oder zu einem Ort im Kern immer das gleiche ist, vielleicht etwas unterschiedlich gefärbt, und wir eigentlich nur unterschiedliche Erwartungen haben. Also mit einem Partner will ich mein Leben teilen, ein Kind möchte ich ein gutes Leben ermöglichen und ein Hobby möglichst viel geniessen. Wie intensiv das eigene Glücksgefühl dabei ist, erlebt wahrscheinlich jeder ganz unterschiedlich. Ich habe schon Leute getroffen, die ihr Leben umgekrempelt haben um einen Gnadenhof für Nutztiere zu betreiben, andere opfern alles für den Sport und wiederum andere wollen so viel wie möglich reisen. Auch sie bezeichnen ihre Hingabe als grosse Liebe oder Leidenschaft und fühlen sich dadurch erfüllt.
Quatsch Nr. 2: Liebe teilt sich auf – man kann nur einen Partner lieben.
Meiner Erfahrung entspricht viel eher, dass ich viele Leute, Lebewesen, Dinge usw. lieben kann. Ich habe noch nie erlebt dass ich mich fühlte, als ob mein Herz es nicht schaffen würde noch mehr zu lieben. Ganz im Gegenteil habe ich eher beobachtet, dass ich gerne noch mehr mein Herz aufmachen würde. So als ob ich ständig in die ganze Welt verliebt sein möchte ( was mir natürlich nur teilweise gelingt).
Sich aber bewusst zu verbieten jemanden zu lieben, das tut beinahe weh. Es macht mir auch nicht wirklich Sinn. Stattdessen möchte ich so viele Leute wie nur möglich lieben, auch wenn ich nicht ständig mit ihnen zusammen bin.
Mumpiz Nr. 3: Es ist wichtig geliebt zu werden, um selbst lieben zu können.
Es gibt ganz viele Beispiele dafür, dass Menschen todunglücklich sein können, obwohl sie sehr geliebt werden. Angefangen von Popstars und anderen erfolgreichen Persönlichkeiten bis zu depressiven Teenagern. Anscheinend bringt es ihnen nur sehr wenig von Aussen geliebt zu werden, weil ihre eigenen inneren Konflikte dermassen destruktiv sind. Auch aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es mir so viel wichtiger ist selbst zu lieben als geliebt zu werden. Ich spüre meine eigene Liebe, nicht die des anderen. Seine Liebe kann mich höchstens an mein Gefühl erinnern, aber auch nicht mehr.
Zum anderen können Kinder, vor allem Babys scheinbar gar nicht anders als lieben und glücklich sein. Keiner muss ihnen das vormachen, sondern es scheint ein ursprünglicher Zustand zu sein, der erst mit der Zeit verloren geht. Wenn wir also Liebe gar nicht lernen müssen, sondern nur behalten, dann genügt es uns selbst lieben zu lassen ohne uns selbst daran zu hindern.
Schmarrn Nr. 4: Hass ist das Gegenteil von Liebe.
Aus irgendeinem unerfindlichen Grund suchen wir ständig das Gegenteil von etwas. Sogar in Intelligenztests wird die Fragestellung verwendet: „was ist das Gegenteil von diesen und jenem Begriff“. Wozu eigentlich? Was lernen wir denn über die Liebe wenn wir uns das Gegenteil ansehen? Ist es nicht vielmehr so, dass wir uns dadurch nur ein duales Weltbild erschaffen, wo es immer 2 entgegengesetzte Pole gibt? Ich behaupte das ist viel zu vereinfacht und deshalb oft nicht wahr. Hass ist für mich geballte Wut in Kombination mit Ablehnung. Klar ist das keine Liebe. Aber auch Angst, Stress, Ärger und Trauer lassen mich nicht lieben. Es macht viel mehr Sinn zu beobachten, wie die Aufmerksamkeit auf diese Emotionen verhindern, dass ich Liebe spüre.
Dilldall Nr. 5: Liebe kann man nicht steuern, Liebe ist Glückssache.
Es gibt ja diesen Spruch „Glück im Spiel, Pech in der Liebe“. Angeblich entstand er im 18. Jhdt. aus dem Umstand heraus, dass viele Adelige regelrecht Glücksspiel-süchtig waren. Dabei verbrachten sie die meiste Zeit an den Spieltischen, anstatt sich um ihre Geliebten zu kümmern, die sich währenddessen andere Liebhaber suchten. Trotzdem kursiert auch heute noch die Mär, dass Liebe einfach nur eine Frage des Glücks ist. Als ob ich es mir gar nicht aussuchen könnte ob ich Liebe erfahre oder nicht, als ob es völlig ausserhalb meiner Kontrolle wäre zu lieben.
Ich denke es ist vielmehr umgekehrt, nämlich dass ich glücklich bin, umso mehr ich lieben kann. „Glück-haben“ im Sinne von „zufällig etwas Positives erfahren“ hat meiner Erfahrung nach viel mehr mit meiner Sichtweise zu tun, ob ich es nämlich als Glücksfall ansehe. Oft gelingt es gar nicht mehr zu sehne wieviele Möglichkeiten es gibt das Herz wieder aufzutun und einfach nur selbst wieder diese wunderbare Freude zu erleben. Zugegeben fällt es auch mir in gewissen Situationen nicht leicht und ich würde gerne anderen die Schuld daran geben, doch mir ist im Hinterkopf immer klar, dass es meine Entscheidung ist etwas zu lieben oder nicht.
Humbug Nr.6: Wer liebt kann verletzt werden, also schütze dich.
Ich hab bislang noch niemanden getroffen, dem dieser Schutzwall vor seinem Herzen nicht auch ein Gefühl der Taubheit verursacht hätte. Wir fühlen uns dann abgebrüht, nichts kann uns mehr erfreuen und begeistern, ABER wir glauben damit sicher vor Verletzungen zu sein. Dummerweise funktioniert das aber gar nicht, denn wir sind trotzdem angreifbar. Wir sind sogar noch schwächer als zuvor, aber unsere Verstand redet uns ein, dass wir so realistischer sind und keine Angst mehr haben brauchen. Die Praxis zeigt, dass sich diese Strategie schon allein deshalb nicht bewährt, weil wir hinter dieser Schutzmauer zunehmend schwächer werden, weil sie uns auch nicht mehr richtig lieben lässt. Genauer betrachtet hat dieser Schutz auch nur einen einzigen nützlichen Effekt: er beruhigt unsere ängstlichen Gedanken. Dies könnte man allerdings auch durch andere Strategien und Übungen erreichen, wie Meditation, Mentaltrainig, Sport, Kunst oder Naturerlebnisse.
Stuss Nr. 7: Es ist nicht möglich alles/alle zu lieben, man muss auch kritisch sein.
Scheinbar gelingt es diesen erleuchteten, indische Gurus doch alles zu akzeptieren und mit allem ihren Frieden zu haben. Vielleicht ist gerade das auch ihr Geheimnis, nämlich dass sie alle Situationen und Menschen einfach tolerieren und sogar für in Ordnung befinden können. Doch wie ist es möglich Krieg, Ausbeutung und Ungerechtigkeit zu akzeptieren? Ich habe in den letzten Jahren gelernt nicht mehr pauschal und oberflächlich zu urteilen, sondern mich viel mehr mit Einzelschicksalen zu beschäftigen und die einzelnen Leute zumindest ein wenig zu verstehen. Dabei habe ich noch immer Mühe mit meinen Vorurteilen gegenüber den Dingen die sie tun, sogar so Alltägliches wie ungesund zu essen finde ich grauenhaft. Es bringt mir aber ungemeine Erleichterung ungefähr nachvollziehen zu können wie man an den Punkt kommt, an dem sie jetzt stehen. Was mich zur Schlussfolgerung verleitet, dass ich möglicherweise für jeden Menschen, den ich oberflächlich verurteile, ein gewisses Mass an Verständnis aufbringen könnte. Sogar einem Mörder, Kriegshetzer, Gewalttäter usw. Das klingt vielleicht zu idealistisch, doch es geht mir um die Möglichkeit an sich. Wenn ich jemanden liebe, dann heisst das ja nicht automatisch, dass ich alles, was er tut, unbedingt gut finde.
Fazit: es braucht keine Regeln
Es scheint als hätten wir uns was die Liebe angeht so viele Regeln und Vorstellungen im Kopf, die eigentlich unnötig sind. Ich würde sogar behaupten, dass es genau diese vorgefassten Meinungen und Erwartungen sind, die im Weg stehen einfach zu lieben und glücklich zu sein. Es mag auch noch andere Ursachen geben, aber Liebesebeziehungen und -erlebnisse zu schubladisieren oder abzuwerten, ist ein sehr trauriger Weg. Wem es hingegen gelingt Situationen und Menschen so anzunehmen, wie sie sind, der wird Liebe beinahe überall finden, auch in sich selbst.